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28. Mai 2011

Freitag, 27. Mai

Heute Morgen fuhren weitere TeilnehmerInnen nach Hause oder weiter zu anderen Orten auf Jamaika. Mir selbst reichen die vielen Eindrücke hier in Kingston, ich nutze deshalb sehr gerne die Möglichkeit, hier auf dem Campus weiter zu wohnen und von hier aus die nähere Umgebung noch ein wenig zu erkunden. Einer der Polizisten hier auf dem Wohnheimgelände ist sehr interessiert, etwas von Deutschland zu hören. Er möchte genau wissen, was ich arbeite, wie die wirtschaftliche Situation ist und vor allem, wie Schwarze in Deutschland behandelt werden. Ich habe ihn schon mehrfach beim Lesen vonBüchern beobachtet, spreche ihn daher auf sein Interesse an Büchern an und biete ihm den Text der Schlussbotschaft und des "Call for Just Peace" an. Außerdem die englische Textfassung unseres OeD-Flyers. Er ist sehr interessiert, liest es sofort und unterstreicht sich beim Lesen das, was ihm wichtig erscheint.
Nach einem Kaffee habe ich mich dann allein mit dem öffentlichen Busaufgemacht Richtung "downtown". Man kommt dabei an sehr unterschiedlichen Wohngegenden vorbei, "Beverly Hills" (heißen tatsächlich so) zum Einen, armselige Wellblechbuden zum Anderen. Und jede Menge kleinerer oder größerer Kirchen, teilweise mit marktschreierischen Botschaften zur Straße hin: "Salvation today!" Einige dieser Kirchen haben Schulen angeschlossen, fast alle sind mit Zäunen und teilweise Wachpersonal gesichert. Das große Gebäude der Heilsarmee sieht wirklich wie ein Militärlager aus – dem Begriff "army" alle Ehre antuend. Der Busfahrer hat ein religiöses Radioprogramm eingeschaltet, das die Fahrgäste mit entsprechenden Botschaften und Liedern versorgt und dazwischen die aktuelle Uhrzeit verkündet. An der Endstation in der Innenstadt steige ichaus. Es ist unheimlich laut hier, ein Chaos von Verkehr, der sich aber irgendwie doch entwirrt, auf den Gehwegen und an jeder Ecke viele Händlerinnen und Händler, manche mit winzig kleinem Warenangebot, z.B. fünf oder sechs Zahnbürsten oder Kokosnüssen. Auf der King Street, die von der Bushaltestelle zur "waterside" führt, fühle ich mich nicht ganz wohl. Bettlerinnen und Bettler, neben dem Gehweg auf einem Stück Pappe liegende und vor sich hin dösende Männer in zerlumpter Kleidung. Viel Polizei, einige mit Schutzwesten. Im Dunkeln möchte ich hier nicht alleine lang gehen. Mein Ziel ist die National Gallery of Jamaica. Eine der deutschen Jugenddelegierten war gestern schon dort, gemeinsam mit einem Jamaikaner. Ihre eindrucksvolle Beschreibung dessen, was dort ausgestellt ist, kann ich voll bestätigen. Ein Highlight. Sehr gute moderne Kunst, eine nach Epochen geordnete Übersicht über ältere Kunst, eine interessante historische Abteilung, in der die Geschichte Jamaikas von den frühesten Quellen an mit Objekten und Bildern anschaulich aufgezeigt wird, einschließlich der bedrückenden Geschichte der Sklaverei. Alles überragend und mich sehr berührend ist eine Ausstellung mit Werken, vor allem eindrucksvollen Skulpturen von Edna Manley: große Kunst von einer auch politisch sehr engagierten Frau. Etwa drei Stunden habe ich dort verbracht. Die berühmteste Skulptur "Negroe Aroused" steht als vergrößerte Nachbildung auch draußen. Ein  Foto ist hier zu sehen.

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