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22. Mai 2011

Samstag, 21. Mai

Der Workshop, den ich gemeinsam mit Angela Stultz anbieten wollte, ist gestern nicht zu Stande gekommen, weil Angela zu der Zeit andere Verpflichtungen hat. Wir haben aber telefonisch für Dienstag verabredet. So habe ich den Workshop "Training for nonviolent conflict resolution" alleine geleitet. Acht Männer und drei Frauen mit sehr unterschiedlichen nationalen, kirchlichen und beruflichen Hintergründen waren gekommen und ließen sich, bis hin zum Bischof, erstaunlich bereitwillig ein auf die praktischen Übungen, die ich vor allem aus den Grundkursen von "Alternativen zu Gewalt" entnommen habe. Natürlich werden in 90 Minuten nicht alle Erwartungen erfüllt, die jede/r auf kleine Klebezettel geschrieben und an einem Baum angeklebt hat. Aber es hat viel Spaß gemacht, und das Bedauern war bei einigen groß, dass es nicht doch drei Workshops geben kann, in denen dieser Anfang vertieft werden kann. Ursprünglich hatten wir drei Workshops angemeldet, weil wir vorhatten, mit drei TrainerInnen hier her zu kommen. Weil das aus Finanzgründen nicht ging und ich auch Zeit haben wollte, an anderen Workshops teilzunehmen, fand nur einer statt.
Heute Morgen gab es schon vor dem Frühstück ein Morgengebet (sonst ist das danach). Das hatte seinen Grund. Tagesthema ist "Peace on the Marketplace", also "Friede in der Wirtschaft". Die jungen internationalen Freiwilligen ("stewards"), die an allen wichtigen Ecken für Fragen aller Art zur Verfügung stehen, verteilten während des Morgengebets Frühstückstüten. Aber nur an etwa jeden vierten Teilnehmer. Ein eindrückliches Bild für die Verteilung von Grundnahrungsmitteln in der Welt. Noch eindrucksvoller wäre es gewesen, wenn wir dann hinterher an unserem "restaurant" kein Frühstück bekommen hätten.
Die Gestaltung der Morgengebete ist sehr ansprechend; die Texte sind auch gut zu verwenden in der Arbeit nach dieser Konferenz.
Ein Teil "meiner" Bibelarbeitsgruppe
Auf das Morgengebet, das mehrsprachig im großen Zelt statt findet, folgt täglich eine Stunde Bibelarbeit in kleinen Gruppen, die über alle Tage der Konferenz gleich zusammengesetzt bleiben. Ich habe das Glück, in der von Konrad Raiser geleiteten Gruppe zu sein, der mit vielfältigen methodischen Zugängen und angereichert mit seiner reichen ökumenisch-theologischen Kenntnis unser Gespräch bereichert.
An die Bibelstudien schließen sich die thematischen Vormittagsveranstaltungen im Plenumszelt an. Ich finde sie sehr anstrengend. Viele Reden hintereinander, fast alle abgelesen, irgendwie ist das unbefriedigend. Dazwischen mal ein drastischer Film. Dann mal fünf Minuten, in denen man mit den womöglich unbekannten Nachbarn in der Sitzreihe kurz drei Fragen diskutieren kann. Das muss oberflächlich bleiben. Die sehr umfangreichen und nicht leicht zu lesenden Texte im Vorbereitungsmaterial sind "fertig". Irgendwie entsteht in mir der Durst nach Raum für Neues, Ungeplantes, Prophetisches, das im Gespräch und in der vertieften Arbeit während dieser Konvokation entstehen könnte. Der Beitrag von Paul Oestreicher, der produktive Kontroversen "erwarten" ließ, wurde bisher nicht weiter aufgegriffen. Schade, finde nicht nur ich, sondern auch andere, die ich beim Essen darauf anspreche. Wie bei anderen großen Konferenzen sind möglicherweise das Wichtigste nicht die offiziellen Veranstaltungen, sondern die persönlichen Begegnungen, die nicht auf dem Programm stehen. Innerhalb der "eigenen", deutschen Delegation (die mit mehr als 100 Personen hier sehr stark ist, so dass die Dominanz fast schon ein bisschen unheimlich scheint), aber auch immer wieder mit den Teilnehmenden aus aller Welt (nach meinem Eindruck sind dies vor allem Theologinnen und Theologen). Ein italienischer Jounalist mit viel ökumenischer Konferenzerfahrung benennt es so: es ist gar keine Konferenz, bei der gemeinsam etwas erarbeitet wird, sondern eben eine Konvokation, wo die Zusammengerufenen die Ergebnisse präsentiert bekommen. Selbst die Kommentare zu den Arbeitspapieren nehmen oft nur streifend darauf Bezug, geraten eher zur Selbstdarstellung der eigenen Erfahrungen und Anstrengungen. Ich spüre aber auch, wie negativ diese Krittel-Haltung werden kann und versuche, "das Positive" nicht zu übersehen. Das sind, um es noch einmal zu sagen, die Gebets- und Bibelstudienzeiten und die informellen Gespräche. Bei den Selbstdarstellungen fand ich sympathisch den Beitrag eines Rastafari, der viel über seine "Religion" erzählte und schließlich im erbetenen Kommentar zum "Call for a Just Peace" mehr Zuhören der Christen als das Verkünden von Gewissheiten vorschlug.

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