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26. Mai 2011

Angela Stultz

Dienstag, 24. Mai
Zum ersten Abschlussplenum komme ich erst gegen Ende, weil ich mich zuvor mit Angela Stultz getroffen habe. Eine beeindruckende Frau. Sie strahlt eine sehr lebensfreundliche Energie aus, scheint mir aber fast rund um die Uhr auf Achse zu sein. Auch während unseres gut eineinhaltstündigen Gesprächs klingelt immer wieder ihr Handy. Wir verstehen uns auf Anhieb gut. Sie freut sich sehr über die Grüße von Michael und Sonja aus Kassel, die sie bei einem Seminar in Birmingham kennen gelernt hat. Ich habe ihr einen Brief mitgebracht und den deutschsprachigen Bericht eines Freiwilligen, der in ihrem Projekt gearbeitet hat. Sie lässt ihn sich wörtlich übersetzen, möchte genau wissen, wie er ihre Arbeit beschrieben hat. An einigen kleinen Stellen korrigiert sie. Die wichtigsten Korrekturen sind: die in dem Bericht genannten Finanzgeber sind bis auf einen nicht mehr engagiert. Die Arbeit hat sich dagegen ausgeweitet, es gibt jetzt zum Beispiel auch eine Schule für ältere Jugendliche und junge Erwachsene. Für die Schulen würde sie gerne wieder Freiwillige haben. Ich verspreche ihr, Michael zu fragen, ob er das vermitteln kann. Zwei Freiwillige hätten Platz. Sie sollten Englisch, Mathematik und Computerbedienung unterrichten können und vorbereitet sein auf die Arbeit in einem sehr armen Viertel. Wir kommen ins Gespräch über den spirituellen Hintergrund ihrer Arbeit und der ihrer Organisation. Angela und ein weiteres Teammitglied sind Rastafari, die anderen acht sind Christen. Angela selbst ist in einer katholischen Familie aufgewachsen, aber von ihrem Großvater schon früh zu einer kritischen Haltung erzogen worden. Als später eine Rastafari-Familie in ihre Nachbarschaft zog, wurde sie von deren zugewandter Art angesprochen und selbst Rastafari. Dabei hat sie die kritische Haltung ihres Großvaters auch hier übernommen. Sie stellt viele Strukturen auch bei den Rastafari, z.B. was die untergeordnete Stellung der Frauen betrifft, offensiv in Frage und macht sich damit nicht nur beliebt. Ganja raucht sie nicht, ihr Partner auch nicht. In der Arbeit im Stadtteil ist ihr der Respekt vor den Menschen und die Achtung ihrer Würde das allerwichtigste. Dazu dienen auch "Reasonings", das sind Versammlungen, zu denen jeder kommen kann, ohne dass man sich erst großartig in Schale werfen muss, wie das z.B. bei den Gottesdiensten der meisten Christen praktiziert wird. Hier geht es um Lebensfragen, die auch über das Materielle hinaus gehen. Manchmal lädt sie Dozenten von der Universität ein, dazu zu kommen, was die Stadtteilbewohner als große Ehre und Wertschätzung empfinden. Auch Künstler aller Art kommen gelegentlich dazu. Den Kirchen gegenüber ist Angela kritisch. Ihr Projekt war vor einigen Jahren auch von Vertretern des Weltkirchenrats besucht worden (im Rahmen der Kampagne "Peace to the Cities"). Den Besuch hat sie nicht in guter Erinnerung, und das ist auch ein Grund dafür, dass sie nicht zu der Friedenskonvokation gekommen ist, obwohl sie noch extra eingeladen wurde. Die Besuchergruppe damals sei als ganze Busladung voller "armutshungriger" Menschen angekommen. Einige hätten Versprechungen gemacht, sich um finanzielle Unterstützung zu bekümmern, aber auf die Zusendung von daraufhin ausgearbeiteten proposals gar nicht geantwortet. Vom Weltkirchenrat habe sie eine Ablehnung bekommen, weil die Arbeit nicht ausdrücklich unter "kirchlich" läuft. "Aber wir arbeiten zutiefst spirituell, und zwar in einer offenen Art, ohne jemanden missionieren zu wollen", ist ihre Überzeugung. Die Suche nach Finanzgebern ist eine ständige und ermüdende Herausforderung. Was das Engagement gegen Gewalt betrifft, ist hier das Wichtigste neben der Wertevermittlung die Hilfe bei der Organisation von Arbeit, und das heißt vor allem Qualifizierung für den Arbeitsmarkt. Für die Frauen gibt es z.B. eine Art Trainingswerkstatt für Friseurinnen. "Auch wenn die Leute sehr arm sind, legen sie Wert auf schönes Aussehen". Das ist auch überall zu sehen, auf der Uni wie außerhalb. Und nicht zuletzt bei Angela selbst, die reich mit Schmuck angetan ist. Am Donnerstag Abend wollen wir uns noch einmal treffen.

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